April 2002 - Länderinformationen Polen

Ein Projekt des Flüchtlingsrates im Kreis Coesfeld e. V.

Führer der radikalen "Selbstverteidigung" gibt seine politischen Ziele nicht auf - Andrzej Lepper zum Parteivorsitzenden wiedergewählt

Warschau, 8.4.2002, PAP, poln.
Die Delegierten des 3. Kongresses der "Selbstverteidigung" (Samoobrona - MD) haben einstimmig Andrzej Lepper zum Vorsitzenden der Partei wiedergewählt. "Das Ziel der 'Selbstverteidigung' ist es, die Regierung im Lande zu übernehmen, und das ist nur eine Frage der Zeit', erklärte Lepper nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses. (...) Das Ziel der "Selbstverteidigung" sei es, die Selbstverwaltungswahlen zu gewinnen und die Macht in Polen zu übernehmen. Der Kongress fand am Sonntag (7.4.) im Kongresssaal des Warschauer Kultur- und Wissenschaftspalastes in Anwesenheit von 3000 Delegierten statt.

Lepper war der einzige Kandidat für das Amt des Parteivorsitzenden. Innerhalb von 30 Tagen soll er dem Landesrat das von ihm aufgestellte Präsidium und den Parteikonvent vorstellen.

Die Delegierten verabschiedeten auch eine neue Satzung der "Selbstverteidigung", die der Zentrale, dem Vorsitzenden und dem Präsidium der Partei breitere Vollmachten einräumt. Der Text der Satzung wurde PAP verweigert. Lepper sagte dazu: "Eine Demokratie wie die von Krzaklewski und Walesa wird es nicht geben." Von einer Diktatur sei darin aber nicht die Rede.

Alle Entscheidungen wurden von den Delegierten einstimmig, in einer offenen Abstimmung getroffen. Lediglich bei der Annahme der Satzung gab es einige Stimmenthaltungen.

Die "Selbstverteidigung" sei eine "Peitsche Gottes für das, was in Polen vorgeht" und, an der Macht, werde sie den Polen eine Motivation zum Arbeiten liefern und ein Lebensziel geben, versicherte Lepper vor den Delegierten. Eine Revolution in Polen strebe er nicht an, wolle aber eine "wirtschaftliche und soziale Revolution in Polen und eine Revolution bei der Abrechnung mit den Dieben und denen, die daran schuld sind, was hier geschieht". "Die Zeit der Späße ist vorbei. (...) Es kommt die Zeit nicht der Revanche, sondern des Pochens auf die eigenen Rechte (...)", warnte Lepper. (...)

Er übte Kritik an Leszek Balcerowicz, Adam Michnik, am Präsidenten Aleksander Kwasniewski sowie an Jaroslaw Kalinowski. Bittere Worte richtete er auch an Parlamentarier der "Selbstverteidigung" und erklärte, einige Abgeordnete der "Selbstverteidigung" hätten nicht die Reife, um im Parlament zu sein. Er kündigte an, über die Arbeit der Abgeordneten und der Senatoren seines Clubs die Wahrheit zu sagen. (...) (TS)

"Ein gesunder Teil der Wirtschaft" - Ausländische Einwanderer demonstrieren in Polen einen verblüffenden Unternehmergeist
Posen; 14.04.2002 WPROST, poln.
Ein Vietnamese, der zu den zehn reichsten Polen gehört? Ein Chinese, der die Parlamentswahlen gewinnt ? Dies ist in absehbaren Zeit sogar wahrscheinlich. Schon jetzt hat der dunkelhäutige Henry Ubaka, der aus Nigeria stammt, in der Uniform polnischer Polizisten an der Friedensmission im Kosovo teilgenommen und arbeitet jetzt in der Kriminalabteilung der Warschauer Polizei. Emanuel Olisadebe, der ebenfalls aus Nigeria stammt, war der beste polnische Fußballspieler bei den Qualifikationen zur Weltmeisterschaft in Korea und Japan (...). Der aus dem Kongo stammende Kalondji-Kabengele gehört zum Kreisrat von Staszow in der Woiwodschaft Swietokrzyskie, und Ravi Pareek aus Indien hält sich für einen echten Masuren und möchte auch Gemeinderat sein.
Bereits über 100 000 Ankömmlinge aus Vietnam, China, Laos, Nigeria, Syrien oder der Türkei sind zu Unternehmern in Polen geworden, und die anderen sparen Kapital, um eigene Firmen zu gründen. Die Mehrheit von ihnen zahlt Steuern, bei vielen sind Polen beschäftigt und ihre Kinder gehen in polnische Schulen. Manche bauen eigene Häuser und nehmen am Leben der örtlichen Bevölkerung teil. Von vielen von ihnen können wir Fleiß, Kreativität, Aufrichtigkeit und Verläßlichkeit bei Geschäften lernen (....)
Nach fünf Jahren Arbeit in Polen erzielt ein Vietnamese im Durchschnitt sieben Mal höhere Jahreseinkünfte als ein durchschnittlicher arbeitender Pole. Dies geht aus Untersuchungen des Instituts für Öffentliche Angelegenheiten hervor. (...)
"Ein Ankömmling beginnt seinen Aufenthalt mit der Arbeit bei einem Bekannten oder bei der Familie oder handelt einfach auf dem Markt. Bei seiner Ankunft hat er oft überhaupt kein Geld dabei. Am Anfang nimmt er einen Kredit bei den hier ansässigen Vietnamesen auf, kauft Waren auf Kredit und verkauft sie überall. Erst nach einigen Jahren harter Arbeit kann er es sich leisten, ein eigenes Geschäft zu gründen", sagt Ngueyn Van Hao, der Generalsekretär des Verbandes der Vietnamesen in Polen "Solidarität und Freundschaft".
Die Ankömmlinge aus Mittelasien, dem Nahen und Fernen Osten könnten in der III Republik Polen eine ähnliche Rolle spielen wie die Holländer, Schotten, Deutschen oder die Franzosen in der I und der II Republik Polen. Schon jetzt sind viele der Einwanderer, was Arbeitsamkeit und Aufrichtigkeit betrifft, besser als unsere Landsleute: "Uns fallen langsam die Augen zu, sie aber möchten gewinnen. Wenn wir zehn Stunden am Tag arbeiten, arbeiten sie zwölf, arbeiten wir zwölf Stunden, arbeiten sie vierzehn. Armut und Ehrgeiz sind eine hoch explosive Mischung", sagt Marvin Harold, ein Milliardär aus Bevery Hills über die Einwanderer.
"Die Vietnamesen haben den festen Ruf, aufrichtige Menschen zu sein. Sie schätzen ihre Kunden und bei Verhandlungen gibt es mit ihnen keine Schwierigkeiten" behauptet Tersa Halik vom Institut für Orientalistik an der Universität in Warschau, die sich seit Jahren mit Untersuchungen der vietnamesischen Minderheit in Polen beschäftigt. Sie betont, dass die Vietnamesen das Recht des Landes respektieren, in dem sie sich niederlassen. Das Recht ist die einzige universelle Sprache, die sie mit den anderen Bürgern und mit den Institutionen dieses Landes verbindet. Aus den Statistiken der Polizei geht hervor, dass gerade die Vietnamesen eine nationale Gruppe bilden, die am seltensten die polnische Gesetze verletzt, und zwar sechzig Mal weniger als die Polen! Es gibt natürlich auch Verbrecher aus Vietnam in Polen, die versuchen, Schutzgelder von eigenen Landsleuten zu erpressen und die mit internationalen Verbrechergruppen zusammenarbeiten. (...)
Die Einwanderer sind keine Gruppe, die fordert. Sie streiken nicht, sie stehen nicht Schlange nach Sozialhilfe, sie fordern keine kürzere Arbeitswoche, keinen längeren Urlaub und berufen sich nicht auf das Arbeitsrecht. Wenn sie eigene Firmen gründen, nutzen sie oft Marktlücken und übernehmen Arbeiten, die Polen abgelehnt haben und arbeiten mehr als zehn Stunden pro Tag. Aus den Untersuchungen des Zentralen Büros für öffentliche Meinungsforschung (CBOS) geht hervor, dass 49 Prozent der Polen nicht einverstanden wären, ihre Arbeit bis spät Abends zu verrichten. 60 Prozent haben etwas gegen häufige Geschäftsreisen. 62 Prozent möchten nicht aus beruflichen Gründen in eine andere Stadt umziehen und 63 Prozent sind nicht bereit, sich aus dienstlichen Gründen einige Tage in der Woche außer Haus aufzuhalten. 70 Prozent der Befragten würden keine Arbeit annehmen, die eine längere Anfahrtszeit erfordert (...)
Für die in unserem Land arbeitenden Ausländer hingegen gibt es kein "Es lohnt sich nicht". Das unter vielen Polen verbreitete Klischee, es gebe einige Arbeiten, die man nicht annehmen sollte, teilen sie nicht, weil das der gesellschaftlichen Stellung schade. Die Ankömmlinge fordern keine Steuervergünstigungen, versuchen nicht ihre Unternehmen in die gewinnbringend besteuerten "Unternehmen mit Schutz der Arbeit" umzuformen und bemühen sich nicht um Zollvergünstigungen. Die Unternehmen, die den Ausländern gehören, bilden den gesunden Teil der Wirtschaft Polens, der den Normen des freien Marktes voll entspricht.
Trotz der Tatsache, dass die Mehrheit der Ankömmlinge ihren beruflichen Werdegang mit Schwarzarbeit begann, zahlen jetzt die meisten von ihnen ehrlich Steuern. (Tao Ngoc, der Inhaber der Firma Tan Viet) in Legowo bei Gdansk hat z.B. sechs Millionen an Steuern im Jahr 2001 bezahlt). Die Ausländer beschäftigen polnische Arbeitskräfte, und zwar sind mindestens 50 000 Polen bei ihnen tätig. Mit den Firmen der Ausländer arbeiten in verschiedener Form insgesamt etwa 500 000 Polen zusammen.
"Ich habe schon bei verschiedenen Arbeitgebern gearbeitet, aber solch eine Motivation, um Ziele zu erreichen, und solch eine Identifizierung mit der eigenen Firma habe ich noch nicht gesehen. Diese Identifizierung erfolgt so einfachen Mitteln wie dem Aufräumen des Firmenhauptsitzes gemeinsam mit dem Chef", erzählt Ryszard Szatkowski, Direktor für Handel und Marketing, der seit acht Jahren bei Tan Viet arbeitet.(...)
Sogar 25 Prozent der Ankömmlinge aus dem Fernen Osten geben ihr in Polen verdientes Geld für Bildung aus. Das geht aus Untersuchungen hervor, die vom Komitee für wissenschaftliche Untersuchungen finanziert wurden.
"Die Vietnamesen kommen meistens nach Polen, um zu studieren. Viele von ihnen verbinden Studium und Arbeit", erzählt Nguyen Van Hao und fügt hinzu: "Wenn sie etwas im Geschäftsleben erreichen, dann investieren sie in die Ausbildung ihrer Kinder". Lilii, seine 19-jährige Tochter, besucht das Mikolaj Kopernik-Lyzeum in Warschau. Sie wird in diesem Jahr ein internationales Abitur machen. Sie möchte dann in den USA oder in Großbritannien Wirtschaft, Medizin und internationale Beziehungen studieren.
Urszula Lewandowska, Lehrerin an der Grundschule in der Jan Pawel II Straße in Warschau, die 30 Kinder aus Vietnam besuchen, betont, dass sie zu den besten Schülern gehören: "Fast alle Kinder vietnamesischer Abstammung sprechen perfekt polnisch, sind sehr fleißig und wissen, was sie wollen", fügt Andrzej Wyrozebski, Direktor eines Privatgymnasiums an der Twardastraße in Warschau hinzu. (...)
Obwohl in unserem Land über 100 000 Ausländer arbeiten, besitzen nur etwa 1 000 die polnische Staatsangehörigkeit. Die Mehrheit von ihnen möchte in Polen über längere Zeit bleiben oder sich hier für immer niederlassen. In der Zeit vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2001 haben sich 66 811 Vietnamesen um eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis in Polen bemüht. Sie wurde aber lediglich 5 369 Personen gewährt.
Aus den Untersuchungen von Professorin Ewa Nowicka, einer Soziologin an der Universität Warschau, geht hervor, dass nur 0,8 Prozent der Polen gegenüber den in Polen lebenden und arbeitenden Vietnamesen negativ eingestellt sind, aber 3,5 Prozent gegenüber den Chinesen.
Die Emigranten bilden in Polen keine Ghettos. Es gibt eigentlich nur ein Ballungsgebiet der Vietnamesen, an der Grzybowskastraße in Warschau, das als polnische Viettown bezeichnet wird, und wo fast zwei hundert vietnamesische Familien wohnen.
Die Vietnamesen, Chinesen, Armenier, Türken, Syrer oder Palästinenser haben sich in verschiedenen Stadtteilen in Warschau, Lodz, Gdansk (Danzig - MD), Gdynia (Gdingen - MD), Sopot (Zoppot - MD), Poznan (Posen - MD), Wroclaw (Breslau - MD), Elblag (Elbing - MD) und Bialystok niedergelassen. Die meisten Ankömmlinge gibt es in den Woiwodschaften Mazowieckie (Masovien - MD), Pomorskie (Pommern - MD), Lodzkie (Lodz - MD), Dolnoslaskie (Niederschlesien - MD), Slaskie (Schlesien - MD), Zachodniopomorskie (Westpommern - MD), Podkarpackie, Swietokrzyskie und Malopolskie (Kleinpolen - MD).
"Wir alle waren, sind oder werden Einwanderer. Wir sollten uns daran erinnern, wenn neue Ankömmlinge in unserer Umgebung auftauchen. Wir sollten aber auch daran denken, was aus unserem Land geworden wäre, wenn wir uns und ihnen die Chance versagt hätten", sagte 1998 Bill Clinton, damaliger Präsident der USA, während eines Treffens mit Vertretern nationaler Minderheiten im Weißen Haus. (Sta)

"Die Zeit der großen Investitionen ist vorbei" - Polen rechnet jetzt mit mehr, aber kleineren ausländischen Investoren
Warschau, 14.4.2002 GAZETA WYBORCZA, poln. Patrycja Macierewicz
"Das Interesse ausländischer Investoren an Polen lässt nach und es wird noch schlimmer werden" - warnen einige Wirtschaftsfachleute. Die Situation sieht jedoch nicht so schlecht aus, wie es bei der ersten Betrachtung scheint. Geldanlagen in Polen planen jetzt in aller Stille mittelgroße Firmen aus dem Ausland, und sie möchten jeweils zwei bis fünf Millionen Dollar investieren.
Nach Informationen der Staatlichen Agentur für Ausländische Investitionen (PAIZ) haben ausländische Investoren im letzten Jahr über sieben Milliarden Dollar in Polen investiert. Dies ist um über drei Milliarden weniger als im Rekordjahr 2000.
Die Wirtschaftsfachleute sind davon überzeugt, dass dieses Niveau nicht mehr erreicht werden kann. Bedeutet das aber, dass die Lage ausgesprochen schlecht ist? Nicht unbedingt:
Dariusz Filar, der führende Wirtschaftsexperte der Bank Pekao SA, behauptet, dass wir von einem schlagartigen Investitionsstop aus dem Ausland nicht bedroht sind: "Ich würde sagen, dass wir auf eine Stabilisierung der Lage zählen können. Meiner Meinung nach können wir ausländische Geldanlagen in Höhe von 6,6 Milliarden Dollar erwarten und das ist durchaus kein schlechtes Ergebnis."
Es erwarten uns aber einige strukturelle Veränderungen bei den Geldanlagen aus dem Ausland: "Die Zeit der großen Investitionen ist vorbei. Die großen Unternehmen, die in Polen tätig sein wollten, befinden sich sicherlich schon auf dem polnischen Markt. Jetzt werden zu uns mittlere Unternehmen kommen, die mit den großen Firmen zusammenarbeiten oder sie beliefern", sagt Andrzej Kinast, Leiter der polnischen Niederlassung der Consultingfirma Grant Thornton.
"Eine ähnliche Situation gab es auch in den anderen Ländern, die eine Umstellung des politischen Systems durchgemacht haben: Zuerst gab es die kleine und dann die große Privatisierung. Jetzt werden die Firmen, die bereits auf dem Markt präsent sind, ihr Engagement steigern und ihr Geld in Technologie anlegen", fügt der Wirtschaftexperte der Firma Societe Generale, Marcin Mroz, hinzu.
Mittlere Unternehmen investieren bei uns unter anderem in die Automobilbranche, in die Lebensmittel- und in die Hüttenindustrie, sowie in technische Zweige. Sie stellen sich meistens auf eine spezielle Produktion ein, die an die Bedürfnisse konkreter Abnehmer im Ausland gerichtet ist. Dadurch wächst unser Export, und zwar ohne Inflationskosten zu verursachen.
Die Senkung der Investitionen im Jahre 2001 ist zum Teil auf den Verkaufsstop der staatlichen Gesellschaften und auf die Verlangsamung der Wirtschaftsentwicklung zurückzuführen: "Viele Investitionen waren durch die Nachfrage auf dem Binnenmarkt in Polen bedingt", gibt Stanisalw Kubielas, führender Wirtschaftsexperte der Firma Nicom Consultin, zu. Er führt die Situation auch auf die allgemeine Wirtschaftslage zurück.(...)
Eine andere Meinung vertritt Marcin Mroz, der behauptet, dass ein Teil der Firmen angesichts der Verlangsamung der Wirtschaftsentwicklung ihre Produktion entweder einschränkt oder dorthin verlagert, wo die Arbeitskosten niedriger sind. Einige dieser Firmen entscheiden sich für Polen. (...) Das neuste Beispiel ist die Firma Philips, die ihre Belegschaft in Holland entlässt und ihre Fabrik in Polen verpflichtet, die Produktion zu steigern oder die Firma Avon, die ihre Fabrik in Northampton in England auflöst und das Werk in Garwolin ausbaut.
Nach Meinung der Fachleute werden auch mittlere und kleine Unternehmen diesem Beispiel folgen und zwar auch die, die auf unserem Markt bisher nicht präsent waren.
Die Konjunkturabschwächung ist jedoch nicht die einzige Ursache für das Interesse an Polen. Es zeigt sich, dass es immer schwieriger wird, in Europa gut qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Dies wurde von kleinen und mittleren Unternehmern als die größte Hürde bei der Expansion ihrer Firmen erwähnt, geht aus einer europäischen Umfrage kleiner und mittlerer Unternehmen hervor.
Ein weiterer Aspekt ist der Rückzug der Produzenten aus dem Fernen Osten. Die Hersteller sind von der Qualität der Produkte enttäuscht (...). Andrzej Kinast gibt zu, dass seine Firma in der letzten Zeit sieben Aufträge bekam, einen polnischen Betrieb zu finden, in den investiert werden kann. Die Auftraggeber sind vor allem deutsche aber auch holländische und britische Firmen, die zwischen fünf und zehn Millionen Dollar im Jahr umsetzen.
Manchmal entscheidet sich eine Firme nicht sofort, ihr Kapital anzulegen, sondern findet Lieferanten für halbfertige Produkte aus Polen. Dadurch wird entweder die Eigenproduktion abgeschafft oder es werden die teureren europäischen Lieferanten ersetzt. Die Firma Grant Thorton sucht zur Zeit 20 Unternehmen für die Zusammenarbeit mit westlichen Firmen: "Wir können solche Aktivitäten als verborgene Investition bezeichnen, da der Auftraggeber das Potential der polnischen Firma durch technische Unterstützung und Schulungen der Mitarbeiter steigert", meint Andrzej Kinast . Er vermutet, dass nicht alle ausländischen Investitionen in der Statistik der Staatlichen Agentur für Ausländische Investitionen und der Polnischen Nationalbank berücksichtigt werden (...).
Den größten Wert für die Wirtschaft haben die "Greenfield-Investitionen", d.h. Betriebe, die ganz neu errichtet werden: "Solch eine Investition bringt neue Arbeitsplätze, die Menschen erhöhen ihre Qualifikation, sie verdienen und geben ihr Geld aus. Darüber hinaus kurbeln sie die Wirtschaftsentwicklung an", sagt Dariusz Filar.
Die Greenfield-Investitionen machten im Jahre 2001 nach Angaben von PAIZ jedoch nur drei Prozent aller Geldanlagen aus. Das ist zwar sehr wenig, aber die kleineren und mittleren Unternehmen interessieren sich viel mehr als andere Firmen im Durchschnitt für den Aufbau neuer Betriebe: "Unter den Firmen, mit denen Grant Thornton zusammenarbeitet, trifft dies auf ein Drittel zu", so Andrzej Kinast. Der Mittelwert aller Investitionen, die von dieser Firma betreut werden, beläuft sich auf zwei bis fünf Millionen Dollar. (...)
Aus einer Umfrage, die die Firma PriceWaterhouseCoopers unter Unternehmern durchgeführt hat, geht hervor, das die meisten Vorwürfe gegen Polen die Korruption und die Tatsache betreffen, dass es schwierig ist, im polnischen Recht mit Änderungen zu rechnen. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Bürokratie.
Aus einem Bericht der Weltbank geht hervor, dass, um eine wirtschaftliche Tätigkeit in Polen aufzunehmen, etwa elf Prozeduren durchlaufen werden müssen. Die Gründung einer Firma dauert 58 Arbeitstage und die Kosten belaufen sich auf etwa 25 Prozent des BIP pro Kopf. (...)
Noch schlechter haben wir bei dem Vergleich abgeschnitten, wie viel Zeit für eine Entscheidung bei handelsgerichtlichen Streitigkeiten oder der Eintreibung von Schulden aufgewandt wird. Unter 109 untersuchten Staaten haben stehen wir auf Platz 108 Platz. Die Vollstreckung eines Titels dauert in Polen drei Jahre, in Tschechien 270 Tage und in Frankreich 180 Tage!.
Zu unseren Ungunsten wirkt sich leider die Tatsache aus, dass in der Zeit der Konjunkturabschwächung die Investoren dem Gewinn mehr Aufmerksamkeit widmen. (Sta)

"Ewiges Dahinvegetieren" - Etwa 400 000 Menschen in Polen haben kein Dach über dem Kopf
Warschau, 15.04.2002 GAZETA WYBORCZA, poln.
"In der Sozialpolitik gibt es kein Programm zur Verhinderung der Obdachlosigkeit", behaupten private Organisationen, die sich um Obdachlose kümmern. Für dringend halten sie Änderungen in dem Gesetz über das Meldewesen und über Personalausweise. Der 14. April wurde in Polen zum Tag der Obdachlosen erklärt.
Die Organisationen weisen auch auf den Mangel an konkreten Gesetzen hin, die ihre eigenen Aktivitäten regeln sowie an Bestimmungen, die z.B. das Recht auf Arbeitsaufnahme ohne Meldenachweis betreffen. Die Obdachlosen erhalten praktisch nie irgendwo Arbeit, haben deswegen keine Rentenansprüche und sind darüber hinaus zum ewigen "Dahinvegetieren" verurteilt.
Auch der stellvertretende Bürgerbeauftragte Stanislaw Trociu weist auf Situationen hin, in denen die Rechte der Obdachlosen nicht respektiert werden. Auf die größten bürokratischen Hindernisse stoßen die Obdachlosen bei der Erstellung des Personalausweises, des Führerscheins oder der Inanspruchnahme von Leistungen im Bereich der Gesundheitsversorgung: "Die fehlende Anmeldung oder die fehlende Wohnung haben sehr oft zur Folge, dass die Obdachlosen Schwierigkeiten bekommen, die einem 'normalen' Bürger nicht widerfahren könnten", so Stanislaw Trociuk (....) "Der Bürgerbeauftragte hat bereits Schritte unternommen, die eine Änderung des Gesetzes über das Meldewesen und des Gesetzes über Personalausweise zum Ziel haben."
Marek Kotanski, der 170 "Markot"-Obdachlosenheime führt, in denen fast 15 000 Obdachlose untergebracht sind, sagte gegenüber der Polnischen Presseagentur PAP, dieser Tag sei eingeführt worden, um eine andere Seite der Obdachlosigkeit zeigen zu können. Er ist mit der Darstellung der Obdachlosen in den Medien nicht einverstanden. Sie seien darauf spezialisiert, die dunkelste Seite der Obdachlosigkeit zu zeigen: "Die Obdachlosen werden als Bewohner von Bahnhöfen und Kanalisationsrohren gezeigt, verlaust, schmutzig und aggressiv. Die Lage ist jedoch viel komplizierter", so Marek Kotanski.
Die Bewohner seiner Heime verfügten oft über ein großes intellektuelles und emotionelles Potential und versuchten sich selbst und den Anderen zu helfen: "Im Rahmen der Bekämpfung der eigenen Obdachlosigkeit bauen sie eine Infrastruktur für andere Hilfsbedürftige auf: Mit mir zusammen bauen sie u.a. Hospize für Krebs- oder Alzheimerkranke." Dieses Hilfsprogramm umfaßt allein in Warschau 5 000 Obdachlose.
Auch Danuta Zalewska, Vizevorsitzende der Arbeitsgemeinschaft des Verbandes Sozialer Organisationen, die sich mit dem Problem der Obdachlosigkeit an der Breslauer Universität beschäftigt, ist der Meinung, dass die Obdachlosigkeit "ein Syndrom, eine menschliche Lebenssituation" ist "und nicht nur aus dem Wohnungsmangel" resultiert.
Nach dem polnischen Recht wird als obdachlos eingestuft, wer "in keiner Wohnung lebt und nirgendwo ständig gemeldet ist".
Zu den Ursachen der Obdachlosigkeit in Polen zählt Danuta Zalewska vor allem materielle Gründe wie niedriges Einkommen, die hohen Wohn- und Nebenkosten sowie auch die Tatsache, dass viele Menschen auf der Suche nach Arbeit ihre vertraute Umgebung verlassen.
38 Prozent der Haushalte geben 30 Prozent ihres Einkommen aus, um die Wohnungskosten zu decken und 70 Prozent des Geldes wird für Energie ausgegeben. Nach Schätzungen des Hauptamtes für Statistik (GUS) sind etwa 43 Prozent der Haushalte aufgrund der hohen Wohnungsnebenkosten zahlungsunfähig. Die Verschuldung der Haushalte wächst ständig. "Diesen Menschen droht direkt die Obdachlosigkeit, da sie ständig mit Räumung rechnen müssen", sagte Danuta Zalewska. Sie sprach auch vom Mangel an entsprechenden Wohnungen und Sozialwohnungen: "Jeder zehnte Haushalt hat keine eigene Wohnung und 43 Prozent der Haushalte sind überbelegt.
Sie verwies auch auf das Fehlen geeigneter administrativer Lösungen. Zu den Einrichtungen, die meisten Obdachlosen "heranziehen", gehörten u.a. die Waisenhäuser (...). Verstärkt werden die Obdachlosenreihen auch durch entlassene Häftlinge, Süchtige und psychisch Kranke. "Immer öfter weisen Obdachlosenforscher darauf hin, dass die Zustände in der Familie, der Verfall der familiärer Bindungen, sexueller Mißbrauch, sowie die Tatsache, dass die Eltern im Gefängnis sitzen, die Hauptursache für die Obdachlosigkeit sind." (...)
Aus den Untersuchungen der Bresaluer Universität geht hervor, dass die Hälfte der obdachlosen Frauen unter Psychosen oder Neurosen leidet. (...)
Nach Ansicht von Stanislaw Trociuk gibt es in Polen 200 000 bis 300 000 Menschen, die nirgendwo gemeldet werden. Die Organisation Marko geht davon aus, dass es in Polen fast 400 000 Obdachlose gibt. In den offiziellen Angaben des Ministeriums für Arbeit und Soziales ist jedoch von lediglich 40 000 Obdachlosen die Rede. Die Pressestelle des Ministeriums betont jedoch, dass diese Angaben sich lediglich auf die registrierten Personen beziehen, die verschieden Leistungen in Anspruch nehmen. (Sta)

Zweites Forum Polen - Deutschland in Warschau - Interview der GAZETA WYORCZA mit dem Vorsitzenden der Konrad Adenauer Stiftung in Polen, Henning Tewes
Warschau, 18.04.2002 GAZETA WYBORCZA, poln.
Frage: Dieses Forum wird sich mit Polen und Deutschland im Jahr 2013 befassen. Warum diese zeitliche Ferne?
Antwort: Wir möchten die gegenwärtigen Probleme etwas beiseite legen und über die Zukunft nachdenken. Wir wählen Themen, die erst in ein Paar Jahren aktuell sein werden. 1999, als das Erste Forum stattfand, wollte niemand über die Arbeit diskutieren. Diesmal möchten aber alle dieses Thema behandeln. Ihm wird auch eine der Diskussionsrunden gewidmet werden. Ich möchte aber, dass beispielsweise auch über die Bildung der Kinder gesprochen wird, die vielleicht Berufe ausüben werden, die es heute noch gar nicht gibt.
Frage: Eines der Themen soll die Rolle Europas in der gegenwärtigen Wellt betreffen. Es sind auch Diskussionen über die transatlantischen Beziehungen sowie über ... China geplant.
Antwort: Wir möchten darauf hinweisen, dass Europa eine Handelspolitik oder eine Menschenrechtspolitik in Bezug auf China braucht und es sich diesbezüglich nicht nur auf die USA verlassen sollte. Polen und Deutschland haben viel gemeinsam, was die Beziehungen zum Rest der Welt betrifft. Sie sind zu klein, um im Alleingang zu agieren. Wenn Europa die Welt gestalten möchte, dann muss das gemeinsam geschehen.
Frage: Was werden die Diskussionen zum Inhalt haben, die unter das Motto "Glaube@2013" und "Männer @2013" gestellt worden sind?
Antwort: Das wird eine gute Gelegenheit werden, um den polnischen und den deutschen Lebensstil zu vergleichen, insbesondere den der jungen Menschen. Einige Erscheinungen sind identisch wie z.B. die zunehmende Zahl der Singles, Scheidungen oder die immer geringer werdende Rolle der Kirche. Es gibt jedoch auch Unterschiede zwischen uns: Deutsche, die ihre Kindheit in den siebziger oder achtziger Jahren erlebten, können sich an den Wohlstand in der Kindheit erinnern, wogegen den Polen oft nur die Erinnerung an Armut bleibt. Vielleicht bemühen sich deswegen die Polen stärker um ein Auto, eine Wohnung oder andere materielle Güter. Sie sind ehrgeiziger und selbständiger als ihre deutschen Kollegen, die vieles von den Eltern bekommen haben. Die jungen Deutschen hingegen zeigen viel mehr Interesse am Umweltschutz oder an der Gleichberechtigung der Geschlechter. Ein gutes Beispiel dafür ist der Besuch von Klaus Schwab, dem Leiter des Weltwirtschaftsforums in der Hauptschule für Handel in Warschau. Zu diesem Treffen ist nicht ein einziger Globalisierungsgegner erschienen. Zu einem solchen Treffen an einer deutschen Universität hingegen wären Scharen von Globalisierungsgegnern gekommen. In Polen wird der "Turbokapitalismus" von den Gewerkschaften und von der Kirche kritisiert, in Deutschland hingegen von jungen Menschen. (Interview: Dominika Pszczolkowska) (Sta)

In Deutschland lebender polnischer Kunstsammler will Polen wertvolle Sammlung schenken - Bedingung: Rückgabe der "Berlinka" an Deutschland
Krakau, 18.4.2002 DZENNIK POLSKI, poln.
"Ich werde meine Sammlung polnischen Einrichtungen schenken, aber nur unter der Bedingung, dass Polen und Deutschland in der Auseinandersetzung um die Rückgabe von Kulturschätzen eine Einigung erzielen", sagte uns der in Deutschland lebende polnische Sammler Tomasz Niewodniczanski, der über die größte Sammlung polnischer Landkarten und eine der größten Sammlungen von Dokumenten in polnischer Sprache verfügt.
Tomasz Niewodniczanski verlangt von uns die Rückgabe der so genannten "Berlinka" ("Berlinerin"), einer Sammlung von Handschriften und Inkunabeln, die aus der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin stammt und die nach dem Zweiten Weltkrieg nach Polen gelangte und sich jetzt in der Bibliothek der Jagellonen-Universität befindet.
Von unseren westlichen Nachbarn verlangt er hingegen, eine Stiftung zu gründen, die über die Mittel verfügen würde, polnische Kunstschätze zu erwerben, die bei Auktionen im Ausland zum Verkauf angeboten werden. "Wenn meine Vorschläge nicht angenommen werden, werde ich meine Sammlung der Stadt Wilna schenken, denn dort wurde ich geboren und mit dieser Stadt war auch mein Lieblingsdichter - Adam Mickiewicz - verbunden. Am liebsten würde ich aber meine Sammlung Polen schenken. Mit Sicherheit wird aber die Jagellonen-Universität kein einziges Exponat bekommen, denn die Universitätsleitung nahm mich bei jedem Kontaktversuch, den ich unternahm, nicht ernst", so der Sammler.
Krzysztof Zamorski, der Direktor der Jagellonen-Bibliothek, sagte uns, seine Bibliothek habe sich niemals um die Sammlungen von Tomasz Niewodniczanski bemüht. Er erinnerte gleichzeitig daran, dass über die Zukunft der so genannten "Berlinka" ausschließlich die polnische Regierung zu entscheiden hat. (Sta)

Polens Regierung bietet Warschau als Ort für israelisch-palästinensische Friedensgespräche an - Arafat einverstanden
Warschau, 18.04.2002 PAP, poln.
"Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde Jassir Arafat ist damit einverstanden, dass die Friedenskonferenz zwischen den Seiten, die in den Konflikt im Nahen Osten verwickelt sind, in Warschau stattfindet", erklärte Hafez Al Nimer, ein Vertreter der Autonomiebehörde, am Mittwoch (17.4.) gegenüber der Polnischen Presseagentur (PAP). (...)
Warschau als Schauplatz für Friedensgespräche zwischen den Seiten des Konfliktes im Nahen Osten war letzte Woche während der Eröffnung der internationalen Konferenz "Dialog zwischen Zivilisationen - Neue Herausforderungen" vom polnischen Premierminister Leszek Miller vorgeschlagen worden.
Premierminister Leszek Miller betonte, "wir wären ein guter Gastgeber für beide Seiten des Konflikts und würden zu ihnen die gleiche Distanz wahren". Zu der Konferenz könne es aber erst dann kommen, wenn beide Seiten dies wünschten. (...)
(Sta)

"Ukrainische Rückkehr" - Verband der in Polen lebenden Ukrainer will Rückführung seiner Landsleute in ihre ehemaligen Gebiete im Südosten Polens forcieren
Krakau, 18.4.2002, DZIENNIK POLSKI
DZIENNIK POLSKI, poln., 18.4.2002, Jacek Borzecki
Der Verband der Ukrainer in Polen bereitet das Programm "Powernennja" ("Rückkehr") vor, das die Ukrainer, die im Norden und Westen Polens leben, zu einer Umsiedlung in den Südosten Polens und hauptsächlich in die Stadt Przemysl und Umgebung bewegen soll.
Das erklärte Ziel dieses Programms ist es, das nationale Bewusstsein zu stärken und einer Entnationalisierung der jungen Generation der Ukrainer entgegenzuwirken, indem sie emotional mit den Gebieten verbunden werden, aus denen ihre Vorfahren vertrieben worden sind.
Die Erarbeitung dieses Programms hatte Mitte Juli des letzten Jahres der Hauptrat des Verbandes der Ukrainer in Polen beschlossen. Zu diesem Zweck wurde zugleich eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. (...) Der Rat erkannte die besondere Rolle der Stadt Przemysl bei der Umsetzung des Programms an und empfahl die Zusammenarbeit mit den ukrainischen landsmannschaftlichen Organisationen "Nadsanie" und "Lemkiwschtschyna".
Im ersten Entwurf bezeichnen die Verfasser des Programms diese Initiative als "wichtigsten Wegweiser für heute und für die Zukunft", der "die vollständige Polonisierung" verhindert. Nach ihrer Überzeugung ist der "Aufenthalt der Ukrainer in dem Gebiet, in das sie vertrieben wurden, ein historischer aber bis heute wirkender Assimilierungsfaktor. Um dem entgegenzuwirken, müsse "in den historischen und ethnischen Gebieten, aus denen sie 1947 vertrieben wurden, ein möglichst intensives nationales Leben neu aufgebaut werden".
Im Dezember letzten Jahres wurde auf Initiative des Hauptrates eine Informations- und Verlegergruppe gebildet, die unter anderem mit der Aufgabe betraut worden ist, eine vollständige Version des Programms vorzubereiten. Geleitet wird die Gruppe von Bohdan Huk, einem Journalisten der Zeitschrift "Nasze Slowo" aus Przemysl.
Miron Kertyczak, der Vorsitzende des Hauptrates des Verbandes der Ukrainer in Polen, bestätigt, dass das Programm für die Wahrung der nationalen Identität der in Polen lebenden Ukrainer eine außerordentliche Rolle spielt. Eine massenhafte Rückkehr von Ukrainern aus dem Westen und Norden Polens in die Gebiete im Südosten erwartet er aber nicht.
"Unsere Aktion ist auf viele Jahre angelegt: Wenn sich dadurch auch nur zehn Prozent der Ukrainer, die heute im Norden und Westen Polens leben, zu einer Rückkehr entscheiden sollten, wäre dies ein großes Erfolg für uns", sagt Miron Kertyczak und fügt hinzu: "Eine unabhängige Ukraine ist nur ein abstrakter Begriff für diejenigen, die in den nördlichen und westlichen Woiwodschaften leben, weil ihre Möglichkeiten, in den Kontakt mit unserer großen Heimat zu treten, sehr begrenzt sind." Kertyczak geht davon aus, dass sie etwa 80 Prozent der Ukrainer ausmachen, die in Polen leben. Die Zahl der ukrainischen Minderheit in Polen wird von den Aktivisten des Verbandes auf etwa 300 000 Personen geschätzt. Manche halten diese Zahl allerdings für zu hoch.
Vorgestellt werden soll das Programm "Powernennja" während der diesjährigen Feierlichkeiten anlässlich des 55. Jahrestages der Aktion "Wisla" ("Weichsel", Zwangsumsiedlung der Ukrainer aus den südöstlichen Gebieten in den Norden und Westen Polens), insbesondere aber während des Treffens ukrainischer Jugend am 26. April in der Stadt Przemysl.
Das Programm "Powernennja" sieht einerseits Bildungs- und kulturelle Maßnahmen vor, die innerhalb der ukrainischen Jugend eine emotionelle Bindung an die "ukrainischen Gebiete" wecken sollen, andererseits jedoch auch eine konkrete Hilfe bei der Übersiedlung in die südostpolnischen Gebiete. In Przemysl soll ein Beratungs- und Informationszentrum entstehen. Dort wird man sich über ukrainische Veranstaltungen informieren können, das Zentrum wird aber auch mit Informationen und Rat zur Seite stehen bei Fragen wie Erwerb von Grund und Boden oder Arbeitsplatzbeschaffung. Vorgesehen ist die Gründung eines Fonds, der die Ukrainer finanziell unterstützen soll, die in ihre heimatlichen Gebiete zurückkehren.
"Geistige Heimat der Ukrainer in Polen" - so bezeichnete der Vorsitzende der Niederlassung des Verbandes der in Polen lebenden Ukrainer in Przemysl, Jaroslaw Sidor, die Stadt Przemysl während eines Treffens der Informations- und Verleger Gruppe". (...)
In einem Beitrag von Tadeusz Karabowicz ("Nasze Slowo", Ausgabe vom 24. März) ist zu lesen, dass die Stadt Przemysl für die Mitglieder dieser Gruppe als "ukrainisches Piemont in Polen" erscheine. Genau hier sollten sich die Pioniere der Rückkehridee niederlassen.
Während dieses Treffens kündigte der Vertreter der Metropolie des griechisch - ukrainischen Glaubens, Pater Bohdan Stepan, im Namen der griechisch-katholischen Kirche eine großangelegte Unterstützung für die Umsiedlungsaktion "Powernennja" an. Er räumte gleichzeitig ein, dass sich "am Fluss San die Wurzeln des Glaubens aller in den Westen Polens deportierten Ukrainer befinden".
DZIENNIK POLSKI, 18.4.2002, poln.
Dem Ministerium für Inneres und Verwaltung ist über die Vorhaben des Verbandes der Ukrainer in Polen nichts bekannt. Slawomir Gola, der Leiter der Presseabteilung des Ministeriums, sieht für die Umsiedlung polnischer Bürger ukrainischer Abstammung, die gegenwärtig im westlichen und nördlichen Tei Polens leben, in die östlichen Gebiete des Landes keine Hindernisse, wenn sie dies wirklich wollen. Das Recht auf Wohnortswechsel hat jeder Pole. Unser Land kann sich aber zur Zeit mit Sicherheit keine finanzielle Unterstützung für die Polen ukrainischer Abstammung leisten, die sich in Przemysl oder in seiner Umgebung niederlassen möchten. (Sta)

Über drei Millionen Polen ohne Arbeit - Arbeitslosenrate bei 18,1 Prozent
Warschau, 22.04.2002 GAZETA WYBORCZA, poln.
"Die Arbeitslosenrate in Polen betrug im März d.J. 18,1 Prozent und blieb damit auf dem Stand von Februar 2002", teilte das Hauptamt für Statistik mit. Die Zahl der Arbeitslosen belief sich auf 3,259 Millionen.
Der Minister für Arbeit und Sozialpolitik, Jerzy Hausner, hatte einen Rückgang der Arbeitslosenrate auf 18 Prozent prognostiziert. (...) 80,5 aller registrierten Arbeitslosen blieben ohne Anspruch auf Unterstützung.
Die höchste Arbeitslosenrate wurde in den Woiwodschaften Warminsko-Mazurskie (Ermland-Masuren - MD) (29,2 Prozent), Lubuskie (25,2 Prozent) und Zachodniopomorskie (Westpommern - MD) (25 Prozent) registriert. Die wenigsten Arbeitslosen gab es in den Woiwodschaften Mazowieckie (Masovien - MD) (13,6 Prozent), Malopolskie (Kleinpolen - MD) (14,3 Prozent) und Podlaskie (15,6 Prozent).
(Sta)

Warschau rechnet nach Einführung der Visapflicht für die östlichen Nachbarn Polens keine Beeinträchtigung der Kontakte zwischen den Grenzregionen - Die Visapflicht tritt am 1. Juli 2003 in Kraft
Warschau, 22.04.2002 GAZETA WYBORCZA, poln.
Nach Meinung von Zbigniew Kruzynski vom polnischen Außenministerium wird sich die Einführung der Visapflicht für unsere östlichen Nachbarn am 1. Juli 2003 auf die Kontakte in den grenznahen Regionen nicht auswirken.
Das Thema der Visapflicht, die Polen noch vor seinem Beitritt zur EU für seine östlichen Nachbarn einführen muss, beherrschte das Programm des polnisch-weißrussisch-deutschen Symposiums unter dem Titel "Die Osterweiterung der EU und ihr Einfluss auf die polnisch-weißrussischen Grenzgebiete", das am Montag (22.4.) im Zentrum der Orthodoxen Kultur in Bialystok begonnen hat.
Nach Ansicht von Zbigniew Kruzynski sieht die polnische Seite in der Einführung der Visapflicht mehr Vorteile als Nachteile. Er betonte, dass die polnische Regierung eine Reihe von Erleichterungen bei der Ausstellung eines solchen Visums vorbereite. Es handele sich dabei um Visa, die eine mehrfache Überschreitung der Grenze ermöglichen und mehrere Jahre gültig seien. Es sollen aber auch zwei neue Konsularvertretungen Polens, nämlich in Luck und Odessa, eröffnet werden. Das Visum werde man auch in Reisbüros, bei den Handelskammern und an Hochschulen erhalten können. Die Ausstellung von Visa an den Grenzübergängen sei jedoch nicht geplant.
Ein einmaliges Visum soll etwa fünf Dollar und ein Mehrfach-Visum etwa 14 Dollar kosten. Diese Kosten müssen zur Zeit alle Bürger der Staaten tragen, die bei der Einreise nach Polen der Visapflicht unterliegen. (Sta)

Fiat Auto Poland will weder Produktion senken noch Arbeitsplätze abbauen - Auch in diesem Jahr sollen 200 000 Fahrzeuge vom Fließband laufen
Warschau, 22.4.2002, PRAWO I GOSPODARKA, poln., Janusz Streinbath
Die schwächeren Verkaufs- und Exportzahlen in diesem Jahr haben die Strategie der Italiener in Polen nicht beeinträchtigt. Ähnlich wie im Jahr 2001 haben sie vor, in diesem Jahr etwa 200 000 Neuwagen bei uns zu produzieren. Dieses Jahr will die Firma Fiat Auto Poland sogar mit einem kleinen Gewinn abschließen.
"In diesem Jahr wird eine ähnliche Zahl Neuwagen in den polnischen Fiat-Fabriken produziert wie im Jahr 2001. Trotz der Konjunkturschwäche auf dem Markt werden wir bei der geplanten Produktionszahl von 200 000 blieben", sagte der Vorsitzende des Konzerns Fiat Auto Poland und Fiat Polska, Enrico Pavoni, am vergangenen Freitag (19.4.) in Warschau. (...)
"Der Konzern Fiat hat im ersten Quartal d.J. etwa 14 000 Wagen verkauft, d.h. etwa 10 000 weniger als ein Jahr zuvor. Auch die Exportergebnisse in diesem Jahr sind schlechter: Im ersten Quartal wurden 6 000 Autos weniger exportiert. Der zu hohe Wert des Zloty trägt dazu bei, dass der Import im Vergleich zur Herstellung konkurrenzfähiger ist. Eine Abschwächung des Zloty um etwa fünf Prozent würde die Lage verbessern", fügte Enrico Pavoni hinzu.
Die Vertreter des Konzerns erwarten eine Belebung der Nachfrage im zweiten Halbjahr 2002. Dies würde der Firma erlauben, die Verluste des ersten Quartals zu kompensieren. Aus diesem Grunde haben die Italiener nicht vor, die Produktion in Polen einzuschränken und sie möchten darüber hinaus auch die Beschäftigung auf demselben Niveau halten, um nach der Konjunkturbelebung, und zwar auch auf dem westlichen Markt, die Nachfrage erfüllen zu können.
Der Konzern geht in seinen Prognosen davon aus, dass im Jahre 2002 auf dem polnischen Markt etwa 300 000 Neuwagen verkauft werden, d.h. etwa um 50 Prozent weniger als im Rekordjahr 1999. Die Verkaufszahlen im Jahr 2001 beliefen sich auf 319 000 Fahrzeuge.
Zur Zeit werden in Polen drei Fiat-Modelle hergestellt: Sciento, Uno und Palio. Ende 2003 wird mit der Herstellung eines neuen fünftürigen Modells begonnen (...)", sagte Jose R. Soriano, der Handelsdirektor der Firma Fiat Auto Poland (...) (Sta)

Pietät und Kommerz - In unmittelbarer Nähe des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz darf jetzt Gewerbe betrieben werden
Warschau, 22.4.2002 PAP, poln.
"Der Woiwode der Woiwodschaft Malopolskie (Kleinpolen - MD) hat am Samstag (20.4) der Firma Maja, die in der Schutzzone um das ehemalige KZ Auschwitz einen Parkplatz- und einen Dienstleistungskomplex baut, die Genehmigung für wirtschaftliche Tätigkeit erteilt", gab die Presseabteilung des Woiwoden bekannt.
Mit dieser Entscheidung sind die seit sechs Jahren andauernden Kontroversen um diese Investition beendet. 1996 hatte der damalige Woiwode der Region Bielsko-Biala nach Protesten jüdischer Kreise den Bau gestoppt.
Piotr Wasilewski, der Pressesprecher des Woiwoden, erklärte, für die Erteilung der Genehmigung hätten lokale Gründe gesprochen - sowohl wirtschaftlicher als auch sozialer Art.
Das Pressebüro des Woiwodschaftsamtes versicherte bereits am Freitag, dass der Woiwode über rechtliche Mittel verfüge, um die Aktivitäten der Firma Maja zu kontrollieren. Mit Hilfe dieser Mittel werde er sich persönlich dafür Sorge tragen, dass die Bedeutung dieses Ortes nicht Schaden nimmt.
Einem Journalisten der Polnischen Presseagentur PAP ist es am vergangenen Samstag nicht gelungen, den Vorsitzenden der Firma Maja zu sprechen.
Die Probleme um die Investition dieser Firma haben 1996 angefangen. Nach Protesten einiger jüdischer Kreise, die die Ansicht vertraten, es sei schändlich, auf dem Gelände, auf dem die Asche von Opfern des Konzentrationslagers Auschwitz liege, Handelstätigkeit zu betreiben, wurde der Bau von dem damaligen Woiwoden gestoppt.
Das Gericht kam jedoch nach einigen Jahren zu dem Schluss, dass dieser Bau gegen das polnische Recht nicht verstößt. Der Firma Maja wurde auch eine Entschädigung zugesprochen.
Im letzten Jahr beendete die Firma Maja den ersten Teil ihrer Investition. Um eine wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen, brauchte sie jedoch die Genehmigung des Woiwoden der Region Malopolska, da diese Investition zum Teil in der Schutzzone um das Museum des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau entsteht.
Im Rahmen dieser Investition werden u.a. Parkplätze, eine Apotheke, ein Kiosk, ein Postamt, ein Souvenirladen, eine Buchhandlung und ein Imbiss errichtet. (Sta)

Siemens-Konzern auf dem polnischen Handymarkt im Vormarsch - Bestes Ergebnis der Firma weltweit
Warschau, 25.04.2002, BUSINESSMAN MAGAZINE, poln., Andrzej Szoskiewicz
Der Konzern Siemens hat seine Marktanteile auf dem polnischen Markt für Mobiltelefone in den letzten zwei Jahren von 14 Prozent auf 26 Prozent vergrößert. Im letzten Jahr wurden bei uns etwa über eine Million Handys der Marke Siemens verkauft. Jetzt übertrifft diese Firma nur der Konzern Nokia. Zu dem Erfolg von Siemens in Polen haben - außer den Produkten und den Menschen - auch die sehr gelungenen Werbekampagnen beigetragen. (...)
Diese 26 Prozent sind das beste Ergebnis der Firma Siemens in allen Ländern, in denen Handys der Marke Siemens verkauft werden. Die Marktanteile des Konzernes in der Welt sind nicht größer als acht Prozent: "Wir haben sogar die Ergebnisse auf dem deutschen Markt weit überholt", sagt Marcin Bajda, Direktor der Information and Communikation Mobile Devices in der polnischen Abteilung der Firma Siemens (...) Seiner Meinung nach sind die Angaben der Firmen GfK Polonia sogar etwas zu niedrig: "Aus den Informationen der Netzbetreiber geht hervor, dass wir im letzten Jahr sogar 30 Prozent der Marktanteile besaßen", behauptet Marcin Bajda. Dem Konzern Siemens ist es gelungen, Firmen wie Motorola, Ericsson, Alcatel und Panasonic zu überholen. (...)
Nach Angaben der Firma GfK Polonia, die sich mit Marktuntersuchungen befasst, wurden im letzten Jahr in Polen etwa 4,2 Millionen Handys verkauft, d.h. 70 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Zahl der Kunden der Netzbetreiber wuchs in dieser Zeit um über drei Millionen. (...)
Dank der Erfolge der polnischen Abteilung für den Handyverkauf haben die Handys von Siemens einen besseren Bekanntheitsgrad erreicht und lassen sich besser verkaufen als irgendwo auf der Welt. Was liegt jedoch diesem Erfolg zu Grunde? "An erster Stelle Menschen und an zweiter die hervorragenden Produkte", erklärt Marcin Bajda. (...) Er hat mit der Zusammenstellung des Teams Ende 1999 begonnen. Zum ersten Team gehörten zehn Personen, die hauptsächlich den Konkurrenten abgeworben wurden. (...) Nach zwei Jahren gehören dem Siemens-Team in Polen 40 Mitarbeiter an (...)
"Das Interesse an einer Arbeitsstelle bei Siemens ist immer noch sehr stark. Auf eine Annonce melden sind mehrere Hundert Bewerber. Um den Posten des Fachmanns für Marketing haben sich über 1 000 Personen beworben", sagt Anna Tarnowska, HR Development Manager in der polnischen Siemens-Firma und fügt hinzu: "Woher ein so großes Echo kommt? Mobiltelefone gehören zu den Zukunftsbranchen und Siemens wird mit einem guten Produkt und einer bekannten Marke in Verbindung gebracht. Die Möglichkeit, etwas Neues zu schaffen, zieht kreative, selbständige und unternehmerisch denkende Menschen an. Ein zusätzlicher Magnet ist der Chef der Firma, der dynamisch und offen für neue Ideen ist. Er versteht es, das Team zur Kreativität motivieren."
Außer den Menschen und den Produkten haben aber zu dem Erfolg der Firma Siemens in Polen auch wirksame Werbekampagnen beigetragen. Die Handyhersteller haben sich praktisch erst im Jahr 2000 in den Kampf um den Kunden eingeschaltet. (...) Früher bestimmten die Netzbetreiber den Wettbewerb und der Kunde, der sich für einen Netzbetreiber entschieden hat, konnte höchstens unter zwei Handy-Modellen wählen. Jetzt ist sowohl die Zahl der Marken als auch der Modelle viel höher geworden. (...)
Die Firma Siemens ist zwar ein weltweit wirkender Konzern, der jedoch lokal aktiv ist. Die Abteilungen im Lande genießen bei der Vorbereitung und der Durchführung lokaler Strategien große Freiheit: "Die Chefs geben uns grünes Licht für unsere Initiativen", sagt Marcin Bajda und fügt im gleichen Atemzug hinzu: "Das Licht brennt jedoch nur solange, wie die Abteilung erfolgreich bleibt, und für die Zentrale ist hierbei das finanzielle Ergebnis am wichtigsten. Das ist auch die Grundlage ,auf der ich meine Abrechnung vorliegen muss". (...)
Belastbarkeit ist in dieser Zeit eine immer mehr gefragte Eigenschaft. Der Markt entwickelt sich langsamer als vor einem oder zwei Jahren. Es beginnt der Kampf um jeden Kunden. Die Einführung des Mobilfunkstandards UMTS verzögert sich und dies hat alles mit der Rezession in der Wirtschaft und mit der Verarmung der polnischen Bevölkerung zu tun.
Die Folgen der Rezession sind im gesamten Konzern zu spüren, in dem Sparmaßnahmen durchgeführt werden. Angesichts solch einer Lage muss Siemens um den Erhalt des zweiten Platzes kämpfen. (...) (Sta)

In Polen werden immer weniger Kinder geboren - Von der Regierung jetzt klare Richtlinien in der Bevölkerungspolitik gefordert
Warschau, 25.04.2002 PAP, poln.
Die ständig sinkende Gerburtenrate und die Alterung der Bevölkerung machen die Festlegung klarer Richtlinien in der Bevölkerungspolitik durch die Regierung erforderlich. Zu diesem Schluss kamen die Abgeordneten des Sejmausschusses für Sozialpolitik.
Am Mittwoch (24.4.) stellte der Vizevorsitzende des Regierungszentrums für Strategische Studien, Zbigniew Strzelecki, dem Ausschuss den Bericht der Regierung über die demographische Lage in Polen, vor. Die Abgeordneten kamen einstimmig zu dem Schluss, dass die Angaben so sehr beunruhigend seien, dass eine Parlamentsdebatte zu diesem Thema einberufen werden müsse. Der Ausschuss möchte, dass die Regierung ihre demographische Politik vorstellt und mitteilt, welche Maßnahmen sie zu ergriffen gedenke, um negativen Folgen der derzeitigen Tendenzen entgegenzuwirken.
Nach den Prognosen der Regierung wird sich die Zahl der Polen bis zum Jahr 2005 vermindern. Die darauf folgenden Jahre sollen einen Anstieg der Bevölkerungszahl bringen, ab 2017 wird sie aber erneut zurückgehen. Es wird geschätzt, dass im Jahre 2030 in Polen etwa 38 Millionen Menschen leben werden, d.h. etwa 600 000 weniger als jetzt.
In Polen werden immer weniger Kinder geboren. Mitte der letzten Dekade haben fast 60 Prozent der verheirateten Frauen den Wunsch geäußert, zwei Kinder zu haben - 35 Prozent wollten sogar drei Kinder. Die Angaben aus den neunziger Jahre weisen jedoch darauf hin, dass Frauen, die nach 1960 geboren wurden, im Durchschnitt weniger als zwei Kinder haben werden. Im Jahre 2000 lag die durchschnittliche Geburtenzahl pro Frau bei 1,337. Aus den Schätzungen des Regierungszentrums für Strategische Studien geht hervor, dass - sollte diese Tendenz anhalten - dies in den nächsten Jahren zu einer Situation führen wird, in der die Zahl der Kinder um 35 Prozent geringer sein wird als die der Eltern.
Einer der Hauptgründe für den Rückgang des natürlichen Bevölkerungswachstums ist nach Ansicht von Zbigniew Strzelecki die Krise der Institution Familie. Das Streben nach Bildung und der Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt haben zur Folge, dass Frauen entweder überhaupt keine Familie gründen oder dies erst spät tun. Das Zentrum schätzt, dass ein Andauern dieser Tendenzen zu einer Situation führen wird, in der ein Drittel der Männer und Frauen im heiratsfähigem Alter niemals heiraten wird. (Sta)

Argentinische Verhältnisse? - Polens Staatskasse mit insgesamt 25 Milliarden US-Dollar verschuldet - Die meisten Schulden sind Inlandsschulden
Posen, den 28.04.2002 WPROST, poln. Piotr Andrzejewski, Michal Zielinski
Zu Beginn der achtziger Jahre, als die von Schulden geprägte Ära Gierek zu Ende ging, war Polen mit 20 Milliarden US-Dollar verschuldet. Anfang der neunziger Jahre (...) stieg diese Summe auf 50 Milliarden Dollar an. Zu Beginn des 21 Jahrhunderts, nach zehn Jahren freier Marktwirtschaft und Demokratie, waren wir mit über 70 Milliarden US Dollar in der Kreide. Würde man diese Summe auf alle Polen aufteilen, entfielen auf jeden Polen 2 000 Dollar Schulden und auf jeden, der Steuern zahlt, 3 000 Dollar.
Der Gerechtigkeit halber muss jedoch gesagt werden, dass sich die Angaben, die aus der Zeit vor 1990 stammen, lediglich auf die Auslandsverschuldung beziehen. Die inneren Schulden zählte damals niemand, denn im Kommunismus gab es so etwas einfach nicht. Wenn die Regierung mehr Zloty brauchte, ließ sie das Geld einfach drucken. De jure gab es also keine innere Verschuldung, obwohl de facto die wachsende Inflation und der damit einher gehende "vorübergehende Mangel an allem" diese kolossale Verschuldung darstellten.
Damals "gab es" also "keine" innere Verschuldung, heute aber macht sie den größten Teil der Gesamtschulden aus. Am 31. Dezember 2001, als sich die gesamte Staatsverschuldung auf 283,9 Milliarden Zloty ( d.h. 71,2 Milliarden US Dollar) belief, machte fast zwei Drittel der Summe die innere Verschuldung aus.
Wenn die Regierung heute Geld ausgeben will, das sie nicht hat, ist sie gezwungen, es sich zu leihen. Und da es einfacher ist, im Lande Geld zu leihen, leiht man es sich vor allem auf dem Binnenmarkt. Das ist unter anderem ein Grund dafür, dass die Auslandsverschuldung zurückgeht. Im letzten Jahr ging sie um 18 Prozent zurück (u.a. dank der spektakulären Rückzahlung von zwei Milliarden Dollar an Brasilien) - auf 25 Milliarden US-Dollar. Die innere Verschuldung hingegen wächst rapide. Allein im Jahr 2001 stieg sie um fast 40 Milliarden Zloty, d.h. um ganze 27 Prozent.
"Es ist gut, dass die Gläubiger des Staates polnische Bürger und Firmen sind. Dadurch ist Polen nicht auf die Gunst westlicher Bankiers angewiesen", könnte der eine oder andere Leser sagen. Leider ist es aber nicht gut, oder - genauer gesagt - es ist schlecht. Das Leihen von Geld im Ausland hat die Nachteile, dass es zu einem verstärkten Devisenzufluss und zum Kursanstieg des Zloty führt. (...)
Die Anleihen im Lande wirken sich zwar nicht auf die Menge des Geldes aus, das auf dem Markt im Umlauf ist, sie führen auch nicht zu Preissteigerungen, dafür aber vermindern sie den Wert des Kapitals auf dem Kapitalmarkt und tragen zur Erhöhung der Zinssätze bei. Es bleibt die Alternative: Entweder schwere Grippe oder chronische Syphilis.
Woher das geliehene Geld kommt, ist also nicht so wichtig. Wirklich wichtig ist, wie viel Geld geliehen wird. Und hier gibt es nichts Klügeres als die alte Volksweisheit, die da lautet, am besten ist es, du leihst dir gar nichts (...)
Im Jahre 2001 wurden für die Zahlung der Zinsen 22 Milliarden Zloty aus der Staatskasse ausgegeben. Und diese 22 Milliarden Zloty fehlten bei der Begleichung laufender Ausgaben. Im Haushaltsgesetz für dieses Jahr waren für diesen Zweck 26 Milliarden Zloty eingeplant, aber alles deutet darauf hin, dass diese Summe zu niedrig angesetzt wurde.
Es ist daher durchaus verständlich, dass Vizepremier Marek Belka den Anstieg der Verschuldung stoppen möchte. Sowohl in der polnischen Verfassung als auch in den Gesetzen der Europäischen Union wurde die obere Grenze der Staatsverschuldung festgesetzt. Sie beläuft sich auf drei Fünftel des Bruttoinlandsproduktes. Außerdem verbietet das polnischen Recht der Regierung eine weitere Verschuldung, wenn sie 0,5 Prozent des BIP ausmacht. Diesen Werten kommen wir aber gefährlich nahe. (...)
Zum Abschluss haben wir eine schlechte Nachricht für die Leser: Die Verschuldung der Staatskasse ist nicht alles. Ein tiefer gehender Begriff ist die so genannte "staatliche öffentlichen Verschuldung". Es handelt sich dabei um die gesamte Verschuldung aller Firmen und Institutionen, die zum öffentlichen Finanzsektor gehören und an dem die Staatskasse den größten Anteil hat. (...) Der Rest der Schulden das sind Verbindlichkeiten des staatlichen Sektors, der Regierungsagenturen, Krankenkassen, zweckgebundenen Fonds, Selbstverwaltungen und der Versicherungsanstalt ZUS. Und obwohl die genauen Verschuldungssummen nicht bekannt sind (...), so handelt es sich dabei mit Sicherheit um größere Beträge, die außerdem noch rapide wachsen: Allein die kommunale Verschuldung hat sich in den letzten zwei Jahren verdoppelt.
Zu der von Marek Belka erwähnten Obergrenze der Verschuldung, die sich auf 60 Prozent des BIP beläuft, bleiben uns noch fast 20 Milliarden Dollar. Ist das viel? Können wir noch ruhig schlafen? Nicht unbedingt: Die staatliche Verschuldung in Argentinien (pro Kopf der Bevölkerung) war ähnlich hoch. Und plötzlich kam der Zusammenbruch.(Sta)

back